Anti-social Social Games

Roleplay ist tot, auch in Los Santos

Ich habe ein Problem.

Kein seelisches, sondern eins mit der Gaming-Szene.

Dass Spiele wie Counter-Strike, League of Legends, das noch recht junge Rainbow Six Siege oder der „Hate-It-Or-Love-It-Klassiker“ Call of Duty schlicht aufgrund ihrer kompetitiven Spielweise keine großen Spielräume für soziale Interaktion lassen liegt auf der Hand und leuchtet ein.

Warum sollte ich ein Interesse daran haben mit dem Kerl, der mir gerade noch das Gesicht weggeschossen hat Smalltalk zu betreiben?
Richtig – will ich nicht. Da ist anonymer oberflächlicher Kontakt per Ingame-Chat völlig ausreichend, und wenn ich das Spiel eben etwas ernster nehme,
kann ich mich ja immer noch mit meinen Boys ins TS setzen.

EA/DICE haben ab Battlefield 3 mit Gewalt versucht, den Spielern ihre Vorstellung eines Social Networks in Form des „Battlelog“ den Hals runter zu stopfen, indem sie den Server-Browser auf ein ebenso unzuverlässiges wie schäbiges Browser-Plugin ausgelagert haben. Aber sein wir mal ehrlich, hat da je einer einen Post veröffentlicht oder mit jemandem Kontakt gehabt, den er nicht ohnehin schon kannte? Überflüssig³

Schon besser hat es Rockstar Games mit  GTA Online hinbekommen. (Multiplayer-Ableger von GTA V).

Für die die es nicht gespielt haben:
Auch in GTA Online gibt es ein spieleigenes Social Network – den Rockstar Games Social Club.
Der funktioniert ähnlich wie sein Reallife-Vorbild Facebook und ist sowohl ingame als auch über den Browser erreichbar.

Man kann Freunde hinzufügen, Bilder posten die man zuvor über das Smartphone geschossen hat und allerlei anderen Unsinn veranstalten. (Ja, es gibt einen Selfie-Mode und Filter, für all euch Instagram-Hoes da draußen)

 

Praktisch: Social-Club Freunde kann man zu Missionen, ins eigene Appartement und zu so ziemlich allem anderen einladen.

Man würde also meinen es entsteht eine lockere Atmosphäre in der sich die Leute auf der Straße grüßen, an Ampeln Beschleunigungsrennen fahren, gemeinsam Geschäfte ausrauben, wahllos Fußgänger verprügeln und hinterher ein High-Five Selfie bei Snapmatic (Insta-Klon) hochladen oder sich zusammen ein Pißwasser (Ingame-Biermarke) reinziehen.

Enttäuschend: Pustekuchen.

Annähernd nichts dergleichen wirst du in GTA Online einfach so erleben. In 95% der Fälle geht nur ein Spieler lebend nach Hause wenn sich zwei auf der Straße begegnen.
Es wird sofort bei Sichtkontakt geschossen, ohne Wenn und Aber. Die vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten sind nach dem ersten Ausprobieren nicht mehr interessant weil sie einen spielerisch nicht voran bringen. Es gibt kaum Aktivitäten die in der offenen Welt von GTA Online erledigt werden müssen, ohne dass man mit der aktiven Gruppe in eine eigene Instanz von Los Santos versetzt wird, in der man niemandem sonst begegnen kann.

Das heißt im Klartext leider, dass der „freie Modus“ nur dazu genutzt wird, Shops aufzusuchen, Autos zu tunen, sinnlos umher zu fahren und Spieler zu töten, was dank 10 Sekunden-Respawn und minimaler Death-Penalty aber auch quasi keinen Einfluss aufs Spielgeschehen nimmt (ein paar lausige Dollar, kein Verlust von Waffen oder ähnlichem).
In der Regel führt das Töten eines Spielers in freier Wildbahn nur dazu, dass der gekillte sofort respawnt und auf Blutrache aus ist. Daraufhin hauen sich die Boys solange gegenseitig tot bis es einem zu dumm wird und er die Flucht ergreift oder den Passiv-Modus aktiviert, damit endlich Ruhe ist. Es stellt sich die Frage nach dem Warum.
Die wirklich coolen Assets des Spiels (Koop-Missionen, Raubüberfälle und quasi sämtliche Aktivitäten bei denen Geld verdient wird) sind alle auch über das Menü, beziehungsweise das Smartphone zu erreichen und beginnen dann instanziert, ohne dass man wie in GTA gewohnt einen „Questgeber“ aufsuchen muss.

Ändert nichts daran, dass vor allem die Raubüberfälle (Heists) wirklich gelungen sind.

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Banküberfall in einer der 4-Spieler Heist-Missionen

Ich würde ja gern ein gutes Wort an der Player-Player-Interaktion in GTA Online lassen, aber ohne eigene Crew geht da leider gar nix. Eher frage ich mich was es über die Menschheit aussagt, wenn alle in aufgemotzten Pimp-Schüsseln um den Block heizen und einander mit Haftbomben zupflastern wie Affen, die Zoo-Besucher mit Kot beschmeißen.

Was aber unterscheidet den durchschnittlichen GTA-Online Boy vom Affen? Ganz einfach – Der Affe ist in der Lage zu kommunizieren, während der GTA-Spieler stattdessen über ein nukleares Waffenarsenal verfügt, das keine Überlebenden duldet.

Diese Fähigkeit hat der durchschnittliche Online-Spieler leider verloren. Es hat sich etabliert, dass über den Ingame-Voicechat grundsätzlich nicht gesprochen wird, und wenn doch, dann entweder auf Russisch, oder es wird ins Mikrofon gepustet um die Stripperin aus dem Vanilla Unicorn abzuschleppen.

Rockstar trägt hier Mitschuld, indem sie statt eines entfernungsbasierten Direct-Chat-Prinzips beschlossen haben einen Global Channel für alle festzulegen. Das heißt ganz Los Santos darf dem kleinen Kevin dabei lauschen wie er mit seiner Mutti diskutiert, wann es ins Bett geht. Egal wo er gerade am rumhustlen ist. Kein Wunder, dass die meisten Spieler Voice grundsätzlich deaktiviert haben. Schade! Abschließend bleibt zu sagen, dass GTA Online ne schöne Sache ist, solange man mit einer Gruppe Kumpels zockt, denn mit Randoms bockt es nicht.

Da frag ich mich doch – was ist aus den guten alten Zeiten geworden, in denen man sich zum Beispiel in World of Warcraft erst eine Gruppe im Chat zusammen gesucht, sich kurz kennengelernt und dann gemeinsam auf den Weg zur Instanz gemacht hat? Das hatte noch Charme.

Deadmines-Moonbrook-Entrance
Eingang zu den alten „Deadmines“ – Damals ne coole Nummer und musste man auch erstmal finden! Nix mit Guppensuche-Tool und Instaport.

Berichtigt mich wenn ich falsch liege, aber ich glaube auch da gibt es das mittlerweile seit langem nicht mehr, sondern ein Gruppen-Finder-Tool nimmt einem alles ab, sodass man dann urplötzlich mit 4 fremden in einer dunklen Höhle steht und keiner das Maul aufkriegt, während man die Instanz in Rekordzeit durchprügelt.

Aber woran liegt das? Wollen die Spieler es am Ende gar nicht anders?

Ich denke, dass die Achievement-Geilheit und das ewige Kohle-, EP- oder Item-Farming uns abstumpfen lassen. Niemand nimmt sich mehr die Zeit die Atmosphäre einer Spielwelt zu genießen, solange er dafür keine Belohnung kriegt. Je weniger Ziele ein Spiel vorgibt, desto harmonischer ist auch die Community, siehe Arma 3 oder Life is Feudal.

Also aufgemerkt:
Chillt eure Base und redet mit den Menschen bevor ihr Sie über den Haufen ballert. Dann wären vielleicht auch Survival-Spiele wie DayZ ein bisschen interessanter.

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Fun Fact: Der Boy spielt kein DayZ weil er sich aus logischen Gründen weigert, bei einer Zombie-Apokalypse auch noch jeden gesunden Menschen sofort zu töten dem er begegnet. Aber er hat auch bei Star Wars immer schon nur die Helle Seite gespielt…

 

 

 

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