Das Kackfass ohne Boden – Warum der Boy nicht Zug fährt

Ich habe ein schlechtes Gedächtnis. Was mich für eine gewisse Zeit nicht interessiert ist irgendwann einfach weg.

Was ich aber bereits aus früher Kindheit erinnere, ist unter anderem dieses Geräusch. Es hat den Grundstein gelegt für eine ewig währende Hassbeziehung.

Es hört sich an als würde man einen Staubsauger sexuell missbrauchen, während im Hintergrund wenig gefühlvoll ein alter Schiffsrumpf zerflext wird.

Die Rede ist vom Spülvorgang der Zugtoilette.

Nachdem ich dieses widerwärtige Schauspiel das erste Mal erlebt hatte, war mir gleich klar – Züge stoßen mich ab.

Meine Abneigung bezieht sich nicht nur auf den abscheulichen Donnerbalken, der mutig als „WC“ bezeichnet wird.

Um meinen Hass für euch messbar zu machen, veröffentliche ich hier mal ein paar Zahlen:

Ich bin monatlich etwa 18 Stunden auf Deutschlands Fernverkehrsstrecken unterwegs. Circa drei von vier Wochenenden, a jeweils 6 Stunden. Davon 4 mit dem Auto, und 2 gezwungenermaßen auf dem Autozug.

Das macht eine Strecke von ungefähr 1200 Kilometern hinter dem Steuer pro Monat, die ich theoretisch auch mit dem Zug fahren könnte. Das wäre deutlich billiger und umweltbewusster.

Ich habe das mal nachgerechnet und komme zu dem Ergebnis, dass ich pro Wochenende gut 50 Euro draufzahle, als Schutzgeld sozusagen, um dem Horror des Bahnfahrens zu entgehen.

Das bin ich mir wert.

Einfach alles am Zugfahren ist schrecklich.

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Normale Verhältnisse auf deutschen Schienen (Quelle: Welt.de)

Das fängt ja schon vor Antritt der Fahrt an. Heutzutage geht man ja nicht einfach los und kauft ein Ticket, nein, man wird am Fahrkartenautomaten angequatscht

„Sorry, fährst du nach Hamburg?“

Da die Tarife so grausam unsinnig berechnet werden wäre es finanzieller Suizid, sich einfach eine Karte von Start bis Zielbahnhof zu kaufen. Stattdessen erwirbt man mit bis zu 4 Wildfremden ein Länderticket und hofft auf das Beste. Die Zeit bis zur tatsächlichen Abfahrt des Zuges wird also mit Smalltalk gefüllt.

Nach dem gezwungenen kurzen Wortwechsel, bei dem von vornherein klar ist, dass sich keiner wirklich für den anderen interessiert geht es dann endlich los.

Könnte man sich das nicht sparen? Wozu forciert die Bahn die Bildung nutzloser Reisegemeinschaften? Können sie nicht einfach die Preise für Einzeltickets anpassen? Das 5er Gruppenticket ist nämlich kaum teurer als die Karte für eine einfache Direktverbindung für eine Person! Muss man sich eben mit abfinden, ziemlich albern.

Was steckt drin im Preis?

Nichts.

Gar nichts.

Du kriegst bei der Bahn nichts umsonst. Und ich habe mich auch noch nie an die lachhaft scheinheiligen Werbespots erinnert gefühlt, in denen die Reisenden grundsätzlich 4 Sitzplätze für sich allein haben und friedlich schlafend in sich hinein grinsen.

Wie können die da schlafen? Ich beziehe mich hier mal auf die NOB (Nord-Ostsee Bahn). Kauf dir den billigsten Plastik-Gartenstuhl im Baumarkt und stell ihn so dicht vor eine Wand, dass du die Beine nicht mehr bewegen kannst. Dann hast du ungefähr denselben Sitzkomfort wie an Bord dieser Viehwagons. Die „Polster“ sind Deko-Bezüge vom Discounter und die Rückenlehne erfüllt keine Funktion, außer, dass du auf deinem Holzstuhl nach vorne rutschst wenn du dich anzulehnen versuchst. Das Rasten ist einem nicht vergönnt während des 3-stündigen „Transports“.

Auch alles rund um den Sitz ist perfekt angeordnet, um das Leid des Fahrgastes zu maximieren. Die Fenster haben immer genau da eine Trennsäule wo du versuchen würdest dich mit dem Kopf anzulehnen, die Armlehnen verhindern das bequeme Liegen über 2 Plätze wenn der Zug abends doch mal nicht brechend voll ist. Für den Kopf gibt es keinerlei Seitenhalt, sodass er dem unebenen Verlauf der Strecke folgend hin und her geschleudert wird. Es ist schlicht nicht möglich hier zu entspannen oder gar zu schlafen. Du bist die vollen 3 Stunden Fahrt deinem Folter-Stuhl, designed by Dr. Mengele ausgeliefert.

Wenn man schon nicht schlafen kann, dann sollte man seine Zeit irgendwie anders nutzen.

Ich zücke also das Smartphone und erlebe den nächsten Schock. Ich war eigentlich der Meinung, dass das Handynetz in Deutschland einigermaßen flächendeckend funktioniert. Ich kann zwar nicht immer flüssig 1080p HD-Videos streamen, aber zum Telefonieren, Whatsapp-Nachrichten senden und empfangen und normalem Dauerscrollen reicht es eigentlich selbst im letzten Winkel der Republik.

Ausgenommen sind Züge. Legen die die Scheißteile mit Alufolie aus? Haben da die Illuminaten ihre Finger im Spiel um den ÖPNV unattraktiv zu gestalten und die Einnahmen der Auto-Industrie zu pushen? maxresdefault

Gibt es Störsender an Bord? Geheime Vorkehrungen zur Terrorismusbekämpfung?

Ich kenne die Gründe nicht. Fakt ist – ich fühle mich allein gelassen und super steinzeitlich. Die Amerikaner haben es schon 1945 fertig gebracht, dass der Präsident an Bord eines Flugzeugs (damals noch eine C-54 Skymaster) telefonieren konnte.
Und da will man mir erzählen, dass es gut 70 Jahre später leider nicht möglich ist, mich aus einem Eisenbahnwagon mit dem Handy telefonieren zu lassen?

Bullshit.

Bahnfahren ist so old-school, da gibt es nichtmal Strom! In den von mir gelegentlich zwangsweise genutzten Paintrains sind tatsächlich keine verdammten Steckdosen. Dabei sitzt man mehr oder weniger in einem rollenden Dieselkraftwerk, das offenbar genug Energie produziert um den ganzen Zug auf unerträgliche 35° C zu heizen, und selbst nachts grelles Licht anzulassen.

Ich bin also abgeschnitten, kein Kontakt zur Außenwelt und ohne jede Beschäftigung gefangen auf einem Stuhl, den sich die Macher von „Saw“ schon 2004 patentieren ließen.

Tolle Wurst.

Nachdem also schon mal 3 der menschlichen Grundbefürfnisse (Schlaf, Akku, Internet) nicht befriedigt werden können muss ich feststellen, dass für die restlichen ebenso wenig gesorgt ist. In der Regel gibt es an Bord weder was zu essen, noch Getränke. Sollte man nicht meinen es wäre möglich zumindest einen Snack/Getränkeautomaten aufzustellen, anstatt auf einer von 50 Fahrten mal jemanden mit einem sofort ausverkauften Service-Wagen durch den Zug zu schicken?

Es wird also 3 Stunden lang unterversorgt vor sich hin gestarrt. Kopfhörer rein, versuchen das Hirn abzuschalten und hoffen, dass die Schmerzen im Arsch bald vorbei sind.

Im Ernstfall findet dieser ganze Prozess dann entweder inmitten einer schreienden 4. Klasse, oder besoffenen Fußballfans dritter Klasse statt, die noch tatkräftig daran mitwirken, dass jede Reise zu einem unvergesslichen Erlebnis wird.

Nein danke. Da erhalte ich mir meine Würde, meine Wirbelsäule und meine geistige Unversehrtheit gern für ein paar Euro mehr.

Beheizte Polstersitze, meine eigene Musik, anstelle der des 14-jährigen neben mir der seinen Ohrstöpsel lieber über das Ohr hängt und dafür besonders laut dreht.
Ein leerer Beifahrersitz oder ein Beifahrer den ich sorgfältig ausgewählt habe anstelle einer übergewichtigen Single-Mutter die Kevin und Pascal-Jerome nicht im Griff hat.
Das alles, sowie normaler Telefon-Empfang und die Möglichkeit jederzeit anzuhalten, mir etwas zu essen/zu trinken zu holen sind nur einige der guten Gründe warum ich lieber selbst fahre.

All das und vor allem die Tatsache, dass ich mir nicht mit 120 anderen Gestalten dieses widerliche Knastklo teilen muss, sondern frei wählen kann welche Toiletten meiner würdig sind und welche nicht.

Ach ja – das Auto fährt übrigens pünktlich los.

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